The Next Facebook

Das Jahr 2012 dürfte für Facebook das letzte Jahr gewesen sein, in dem die Wachstumsrate, also die Geschwindigkeit, mit der die Zahl der Nutzer steigt, zunimmt. Bei jetzt 1 Milliarde weltweiter Nutzer haben die lange zweistelligen Wachstumsraten auf zuletzt unter 1% abgenommen (Quelle).

Offenbar ist eine 50-prozentige Marktsättigung (ausgehend von gut zwei Milliarden Internetnutzern weltweit) das Maximum, das für das Soziale Netzwerk erreichbar ist.
Eines von mehreren Anzeichen dafür ist, dass Facebook in Deutschland Mitte dieses Jahres erstmal mehr aktive Nutzer verloren hat, als es gewinnen konnte (Quelle). Das ist – bei rund 24 Millionen Benutzern in Deutschland – natürlich noch keine wirkliche Krise, doch wenn man bedenkt, dass der Wert von Facebook lange ausschließlich an seinem Wachstum gemessen wurde, wird klar, dass es dem Unternehmen nun stärker als je zuvor um eine Monetarisierung gehen wird, sprich darum, mit den Nutzern Geld zu verdienen.

Facebook muss Geld verdienen

Von denen nutzen rund 60 Prozent Facebook inzwischen mobil auf Tablets und Smartphones (Quelle). Doch ausgerechnet für die mobile Nutzung hatte Facebook bisher überhaupt kein Erlösmodell – und das soll sich nach dem Willen des Unternehmens nun schnellstens ändern. Allerdings mit Mitteln, die den Usern nicht gefallen dürften. So erscheinen seit einiger Zeit immer öfter Seitenempfehlungen in der Chronik mobiler Geräte, die bisher völlig anzeigenfrei war. Gleichzeitig wurde bekannt, dass sich User nicht darauf verlassen können, dass alle Neuigkeiten abonnierter Anbieter (und Freunde?) in der Timeline erscheinen – ein „Edge Rank“ genannter Algorithmus trifft eine automatische Auswahl – die man nur umgehen kann, wenn man dafür bezahlt. Und im Dezember dann wurde bekannt, dass Facebook gerade das Modell bezahlter Mitteilungen testet – Usern, mit denen man nicht befreundet ist, darf man nur noch Nachrichten schicken, wenn man dafür bezahlt. All diese Maßnahmen werden unweigerlich dazu führen, dass sich Nutzer von Facebook abmelden oder den Dienst nicht mehr nutzen. Es ist zu erwarten, dass die Nutzerzahlen ab dem Jahr 2013 nicht mehr weiter steigen werden.

User wollen Soziale Netzwerke

Facebook wird dennoch weiter bestehen, so wie auch MySpace und andere Soziale Netzwerke weiter betrieben wurden, als der Gipfel überschritten war und Mitbewerber stärker wurden. Spätestens mit Facebook wurde offensichtlich, dass das Internet künftig ohne Soziale Kommunikation nicht mehr denkbar ist. Facebook ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass Menschen diese Art der Kommunikation erst für sich entdeckt und schätzen gelernt haben. Sie werden auf diese Art der Kommunikation nicht mehr verzichten wollen – auf Facebook hingegen langfristig schon.

Technische Innovationen bleiben notwendig

Klar ist allerdings auch, dass jede technisch unterstützte Kommunikation irgendwie finanziert werden muss, und es wird sicher eine große Zahl von Usern geben, die Werbung und Selektion auf Facebook im Gegenzug für die kostenlose Nutzung in Kauf nehmen werden – vergleichbar den Nutzern der Google-Suche oder den Zuschauern des kommerziellen Fernsehens. Und auch aus reiner Bequemlichkeit werden viele solange bei Facebook bleiben, bis es eine Alternative gibt, die auch im Freundeskreis akzeptiert wird. Doch die wird es zweifellos geben, denn technische Innovationen, die Facebook einmal groß gemacht haben, sind bei dem Netzwerk bereits schon seit geraumer Zeit nicht mehr zu beobachten – und wenn, dann sind sie auf Zukäufe erfolgreicher Startups (Gowalla, Instagramm) zurückzuführen oder stehen im Zeichen der Profitsteigerung.

Alternativen zu Facebook

Menschen werden also auf soziale Kommunikation im Netz nicht verzichten wollen – und neben Facebook werden sich Alternativen auftun. Die gibt es bereits für einzelne Zielgruppen und die spannende Frage bleibt, ob es einer davon gelingen wird, eine Mehrheit für sich zu begeistern.

Einen interessanten Überblick bietet Jo Bager von der Fachzeitschrift c´t, die jetzt auch bei Spiegel Online nachzulesen ist. Das lange als möglicher Nachfolger diskutierte Netzwerk Diaspora ist noch immer im Entwicklungsstadium und im in diesem Stadium nur eine Alternative für Computerexperten. Ähnliches gilt für friendica und andere Peer-to-Peer-Netzwerke.

Google+ befindet sich dagegen noch immer im Aufwind und hält bereits länger durch, als es seine Kritiker lange wahrhaben wollten. 500 Millionen registrierte und 250 Millionen aktive Nutzer sind bereits eine starke Nutzergemeinde (Quelle). Doch fehlt Google+ bisher noch die emotionale Wärme, die Facebook seinen Nutzern lange vermitteln konnte. Auf Google+ finden eher fachliche Diskussionen statt als Interaktionen mit dem realen Leben der Nutzer. Für Google+ hingegen spricht die Innovationskraft des dahinter stehenden Unternehmens sowie das Potential der Integration vieler bereits funktionierender anderer Dienste des Google-Imperiums.

Auf den Austausch von Fotos und Videos setzen Netzwerke wie Pinterest, dessen Geschäftsmodell offenbar in sogenannten Affiliate-Links liegt. Das bedeutet, dass Pinterest Geld von Onlineshops bekommt, wenn User über Produktfotos bei Pinterest dorthin gelangen. Das ungeklärte rechtliche Problem dabei ist allerdings, dass Pinterest zu diesem Zweck Links der User zu den Anbietern von Produkten erst durch solche eigenen Affiliate-Links ersetzen muss, um Erlöse erzielen zu können.

Voll dem Trend zur mobilen Nutzung folgt das Netzwerk Path, das anders als Facebook ausschließlich auf den privaten Austausch der Einträge setzt. Ob sich das allerdings auf Dauer finanzieren lässt, bleibt noch offen. Das gilt umso mehr für weitere Anwendungen wie das Familiennetzwerk Rootsy, Die Partner-App Pair oder Ourspot, bei denen Privatsphäre noch enger definiert wird.
Auch Foursquare und Highlight leben von der mobilen Nutzung, wobei Foursquare durch Kooperationen mit lokalen Shops und globalen Unternehmen eine klarer zu erkennendes Geschäftsmodell hat. Highlight funktioniert dagegen bisher nur auf dem iPhone (und seit neuestem auch auf Android-Geräten) und ist stärker auf den Augenblick fixiert als auf längerfristige soziale Kommunikation. Damit gleicht es technisch stark den anderen „SoLoMo“ (social location mobile)-Netzwerken Circle, Banjo und Kismet (iTunes-Link). Teilweise liegt der Focus dieser Anwendungen auch deutlich auf dem Anbahnen von Kontakten im Sinne von Online-Partnerbörsen oder Dating-Websites. Das gilt auch für das Netzwerk Tagged, das sich selbst als „Social Discovery Website“ beschreibt und angeblich 100 Millionen Mitglieder hat.
Vermutlich werden einige dieser Angebote eher fusionieren oder in einem der großen Netzwerke aufgehen, als dass sie aus eigener Kraft zur Facebook- oder Google+-Alternative werden.

Twitter taucht in dieser Liste der Facebook-Alternativen übrigens nicht auf, weil es eher zu den Nachrichten- als zu den Sozialen Medien gezählt werden muss. Auf Twitter wird nur in den seltensten Fällen das private oder geschäftliche Umfeld der User virtuell nachgebildet, was bei den anderen Sozialen Netzwerken (außer teilweise bei Google+) der Fall ist. Twitter ist zwar auch ein Soziales Medium, doch durch die technisch bedingte Kürze der Tweets, die auch durch Links nicht ausgeglichen werden kann, wird es immer stark informationslastig bleiben und für die Beziehungsbene unter den Usern nur wenig relevant. Abgesehen davon hat das Unternehmen bisher noch keinen Gewinn gemacht und tut sich schwer mit Erlösmodellen, die von den Nutzern akzeptiert werden.

Fazit

Google+ ist zur Zeit das einzige Soziale Netzwerk, dass es von der Zahl der Nutzer und dem wirtschaftlichen Potential her mit Facebook aufnehmen kann.
Dahinter liegen mit Instagram und Foursquare zwei Anbieter, die auf andere Schwerpunkte setzen als Facebook, die aber genauso wie viele andere, kleinere Spezialanbieter, nur mit großen Anstrengungen zu einer wirklichen Alternative zu Facebook werden können – zu universell ist das Angebot von Facebook, zu speziell der Focus dieser Anbieter. Eher werden einige von ihnen in Facebook oder Google+ aufgehen, als dass sie vollwertige Konkurrenten werden.
Technisch sind längst Alternativen zu den großen Netzwerken realisierbar. Auch an Ideen und technisch interessanten Startups besteht kein Mangel.
Die spannende Frage wird somit sein, ob eines dieser Startups das „Momentum“ bekommt, das heißt, zur richtigen Zeit einen Trend erkennt und finanziell gut genug ausgestattet ist, um Facebook an einer schwachen Flanke anzugreifen. Denn angreifbar wird Facebook immer stärker werden, weil es mit dem Vertrauen der User spekulieren muss, um seine Anleger zufrieden zu stellen.

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Michael

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