Seit Juni, so sagen böse Zungen, muss man Strafe dafür bezahlen, wenn man die BILD-Zeitung online lesen möchte. Die Rede ist von „Bild plus“, was besser klingt als „Bezahlschranke“ (oder englisch „Paywall“), aber das selbe ist.
Einen großen Teil der Artikel auf Bild.de kann man nur noch lesen, wenn man dafür bezahlt: Tage-, wochen- oder monatsweise in teilweise verwirrenden Kombinationen aus App- und Web-Nutzung. Weltweit schauen Verleger auf dieses Modell, weil sie noch immer keine zufriedenstellende Lösung zur Finanzierung von Online-Journalismus gefunden haben.
Denn die Leser wollen für Online noch immer nicht zahlen. Die allermeisten jedenfalls nicht. Und sie ärgern sich darüber, dass sie zahlen sollen. Speziell bei Bild.de ärgern sie sich auch darüber, dass z.B. auf Facebook Artikel beworben werden, die dann nur kostenpflichtig abzurufen sind.
Nun ist es ja nicht so, dass man auf das Angebot von Bild.de angewiesen wäre. Für Medienleute gehörte es zwar zum Alltag, neben den wichtigsten Newsquellen auch immer mal auf Bild.de nachzuschauen, welche Sau dort gerade durchs Dorf getrieben wird. In dem Bewusstsein, dass sich immerhin über 250 Millionen Menschen pro Monat ebenfalls dort informieren. So gesehen hatte Bild.de auch publizistisch eine gewisse Relevanz. Doch diese Relevanz setzt Bild mit der Bezahlschranke aufs Spiel, wenn die Leser nicht mitziehen. Es sind nur wenige exklusive Inhalte denkbar, für die eine große Zahl Menschen bereit wäre zu zahlen. Denn angeteasert werden muss jedes Thema – und wenn ein interessantes Thema einmal auf dem Markt ist, dauert es nicht lange, bis man sich darüber auch aus kostenlosen Quellen informieren kann. Für Geschichten über B- und C-Promis oder andere Verlegenheitsmeldungen wie Penisvergrößerungen wird kaum jemand Geld bezahlen.
Die BILD steht damit vor einem Dilemma – macht sie die publizistisch relevanten Berichte kostenpflichtig, verliert sie an Bedeutung für die Leser, verlangt sie nur Geld für die unwichtigen „bunten“ Themen, wird sie damit kein Geld verdienen.
Die Entwicklung der Nutzerzahlen ist noch nicht eindeutig, unter anderem auch deshalb nicht, weil die IVW im Juli begonnen hat, die mobile Onlinenutzung separat auszuweisen und insofern die Zahlen nicht direkt vergleichbar sind. Allerdings ist deutlich zu sehen, dass „plus“ der Bild kein Plus ein Lesern einbringt, denn nach 264 Mio. Visits im Juli ging die Zahl im August bereits wieder auf 250 Mio. zurück (Quelle: ivw-online.de).
Welche Einahmen „Bild plus“ generiert, weiß nur der Springer-Verlag. Ob sie den publizistischen Relevanzverlust aufwiegen, muss der Verlag entscheiden. Dabei ist natürlich zu berücksichtigen, dass auch auf den „plus“-Seiten Werbung geschaltet wird, möglicherweise sogar mit höheren Erlösen, weil die Werbekunden mehr über die (registrierten!) Nutzer erfahren.
Es ist klar, dass auch Online-Journalismus finanziert werden muss. Und da Online im Vergleich zu Print auch in den nächsten Jahren definitiv an Bedeutung gewinnen wird, ist diese Finanzierung um so wichtiger. Wenn Werbung zur Finanzierung nicht ausreicht, müssen andere Wege gefunden werden. Dass es starre Bezahlschranken sind, darf bezweifelt werden. Einfach zu bedienende Micropayment-Systeme wie flattr könnten vielleicht auch Online-Journalismus finanzieren, wenn sie sich weiter verbreiten. Noch ist es zu früh, abschließend über das „Bild plus“-Experiment zu urteilen, doch in der Tendenz wird es eher nur einen kleinen Beitrag zur Frage der Finanzierung von Onlinejournalismus bieten können.