Weißer Rauch und eine Facebookseite

Am Mittag war ich nach über 20 Stunden in Flugzeugen und Flughäfen aus den USA nach Frankfurt zurück gekommen. Nach ein paar Stunden Büroarbeit war eigentlich frühes Schlafengehen geplant. Pflichtgemäß war natürlich der Livestream auf facebook.com/Papstwahl2013 eingeschaltet, der gegen 19 Uhr den Schornstein der Sixtinischen Kapelle zeigte. Die paar Minuten bis zum erwarteten schwarzen Rauch wollte ich dann doch noch abwarten.

Doch dann überschlagen sich die Ereignisse. Zuerst stockt der Videostream, verschwindet dann ganz. Gerade als ich den Fernseher einschalten will, klingelt das Handy: „Es kommt weißer Rauch“ ruft mein Kollege aus Rom in sein iPhone. „Ganz sicher?“ frage ich ohne eigene visuelle Bestätigung nach. „Ja. Du kannst es posten“. Bei Facebook meint er. Während ich hektisch das zuvor vorbereitete „Habemus papam“-Bild aus dem Order auswähle, schalte ich mit der anderen Hand der Fernseher an. Alle Sender haben ihr laufendes Programm unterbrochen, gewohnheitsmäßig lande ich beim ZDF. Die Glocken des Petersdoms läuten, ein aufgeregtes Gefühl macht sich im Magen breit: Ich erlebe Kirchen- und Weltgeschichte. „Klick“ – das Bild ist online. Hundertweise bekommt unsere Seite neue Fans und dutzendfach wird das Bild geteilt. Wahnsinnsgefühl. Durchatmen. Was kommt als nächstes? Wir müssen ein neues Bild mit dem neugewählten Papst vorbereiten. Aber wer wird es sein? Scola, weil es so schnell ging? Oder doch Scherer oder gar Turkson? Am besten alle vorbereiten..! Rund 40 Minuten sollten wir dafür Zeit haben, ein Kollege in Frankfurt und ich arbeiten parallel daran. Zwischendurch Telefonate an die Verwandten: „Schnell, sucht Euch einen Fernseher, weißer Rauch!!!“
Habemus
Die Minuten vergehen, die Spannung steigt ins Unerträgliche. Dann zieht die Kapelle auf, italienische Hymne, dann Inno Pontificio, die „Vatikanhymne“. Schnell noch ein paar Infos dazu gepostet. Und endlich: Der Vorhang bewegt sich. „Annuntio vobis gaudium magnum – habemus Papam“, sagt Kardinal Tauran, „Eminentissimum ac Reverendissimum Dominum, Dominum Georgium Marium, Sanctae Romanae Ecclesiae Cardinalem Bergoglio, qui sibi nomen imposuit Franciscum.”
Georgium wer? Ach, Bergoglio, der Name wurde in wenigen der Papabile-Listen genannt? War das ein Italiener? Nein, nur dem Namen nach – Buenos Aires war es! Überraschung, Nachdenken, kurzes Innehalten. Ein Papst aus Argentinien, der sich Franziskus nennt. Wow! Wer hat damit wirklich gerechnet? Schnell muss es jetzt gehen, lizenzfreies Foto finden, am besten bei Wikipedia, oder noch besser in seinem Bistum. Geschwindigkeit geht jetzt vor Ästhetik. Zwischendurch noch rasch die Infos posten, dann das neue Foto.

Und dann betritt er die Loggia. Irgendwas ist anders als vor acht Jahren: Er wirkt größer, präsenter – und ist schlicht in Weiß gekleidet, ohne die rote Mozetta wie noch Benedikt XVI. auf dem bekannten Foto. Er erinnert mich schlagartig an Johannes XXIII., den verehrten Kardinal Roncalli, der uns der Zweite Vatikanische Konzil geschenkt hat, und mit seiner Brille sogar ein wenig an den lächelnden Albino Luciano. Und auch das macht ihn mir schlagartig sympathisch. Seine ersten Worte unterstreichen das: Einfach und klar, ungekünstelt und doch spirituell. Bevor er den Segen spendet, erbittet er selbst den Segen. Tolle Geste!
Dieser erste Auftritt liefert das Foto, das ich jetzt brauche. Jetzt soll das Banner unserer Seiten nicht nur aktuell, sondern auch schön werden.
Papst Franziskus 1b
Später noch eine kleine Korrektur: Nicht „Franziskus I.“, sondern einfach „Franziskus“. Wenn der Name auf Franz von Assisi zurückgeht, wird sich vielleicht auch einmal „Papst Franz“ einbürgern…Das klingt wohltuend vertraut, denn „Franz“ heißen mein Vater und Großvater – und auch mein verehrter Altbischof von Limburg!
Beim Lesen verschiedener biographischer Daten des neuen Papstes dann erschrockenes Erstaunen bei der Andeutung, dass er als Bischof mit der Militärjunta in Argentinien kollaboriert haben soll. Das wird er hoffentlich schnell ansprechen und klären können. Und positives Erstaunen, als ich von seinem Deutschlandaufenthalt in St. Georgen erfahre. Das kann Deutschland nicht schaden..!
Gegen 22.00 poste ich noch ein paar aktuelle TV-Programm-Infos von Kollegen und merke dann, wie die Müdigkeit die Aufregung verdrängt. Dass ich morgen meine geplante Romreise wohl stornieren werde, weil der Einführungsgottesdienst erst dienstags und nicht am Wocheende stattfinden soll und nicht von „meinem“ Sender übertragen wird – sei’s drum! Ich habe auch so das Gefühl, Geschichte hautnah erlebt zu haben und bin dankbar dafür..!

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Michael

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