Strategien für das Web 3.0

Die Contentanbieter im Internet werden sich künftig in zwei Gruppen aufteilen: in „Pull-Dienste“, schwerpunktmäßig klassische Informationsportale mit mehr oder weniger großen mobilen Anteilen auf der einen Seite, und „Push-Dienste“, schwerpunktmäßig mobile und stark nutzer- und ortsabhängige soziale Dienste auf der anderen Seite („pull“ und „push“ sind ursprünglich technische Begriffe aus der Datenübertragungstechnik, doch können sie m.E. im Zusammenhang der neuen Möglichkeiten auch den Charakter von Internetangeboten illustrieren).

Die einen warten tendenziell eher, dass der User zu ihnen kommt, die anderen gehen eher auf den User zu.

Für die einen werden mobile ortsbezogene Dienste nur eine geringe Rolle spielen, bei den anderen sind wiederum die desktop-orientierten, klassischen Webseiten nur noch von untergeordneter Bedeutung.

Es zeichnet sich zwar ab, dass sich in allernächster Zukunft zunächst nur early adopters und damit in erster Linie jüngere User von den klassischen Webseiten abwenden werden, doch in einem Horizont von drei bis fünf Jahren dürften sich die Anteile bereits deutlich verschoben haben. In nur zwei Jahren (von 2009 bis 2011) hat sich der Anteil der Bevölkerung, die das Internet auf mobilen Geräten (ohne Notebooks / Laptops) benutzt, bereits auf 18% verdreifacht (Quelle: ACTA, Allensbacher Computer- und Technikanalyse 2011). Unter den Internetnutzern nutzen laut einer aktuellen Studie von NORDLIGHT research bereits 29% das Internet täglich mit mobilen Geräten.

Die Entwicklungen bringen somit für Contentprovider im Internet eine wichtige Frage zum eigenen Selbstverständnis mit sich: Für wen soll / muss mein Angebot relevant sein und was bedeutet das für die konzeptionelle Umsetzung? Dies lässt sich für verschiedene Angebote durchspielen, z.B. für die Bereiche

  • Information: Biete ich Informationen an, die einen Anwender unmittelbar persönlich, in seiner ganz konkreten Alltagssituation, an seinem aktuellen Ort und genau jetzt betreffen bzw. interessieren? Will ich ihn damit zu einer konkreten Handlung motivieren (z.B. etwas zu kaufen, eine Veranstaltung zu besuchen, eine Spende zu leisten,…), bei der Meinungsbildung unterstützen oder vertiefende Einblicke in komplexe Themen ermöglichen?
  • Kommunikation: Besteht mein Kommunikationsangebot darin, in traditioneller Weise innerhalb eingeschränkter Betriebszeiten „Kundenanfragen“ zu beantworten oder möchte ich immer aktuell und situationsbezogen für die Nutzer verfügbar sein, die mich in ihrem konkreten Alltag und an einem bestimmen Ort brauchen? Will und kann ich dabei sinnvoll eigene Ressourcen vor Ort oder aus solche aus der Usercommunity einbeziehen?
  • Service: Biete ich den Nutzern passiv die Möglichkeit, sich Informationen über die Bereiche zu verschaffen, in denen ich glaube, kompetent zu sein („pull“), oder stelle ich ihm diese Angebote aktiv dann zur Verfügung, wenn er sich unbewusst in Situationen oder sozialen Konstellationen befindet, in denen ich ein Angebot für ihn habe („push“)?

Je breiter das Angebot eines Inhalteanbieters ist, desto differenzierter wird seine Distributionsstrategie sein müssen.

Speziell institutionelle Anbieter mit einer großen Bandbreite an Angeboten für viele unterschiedliche Zielgruppen müssen ein sehr genaues Bild von der jeweiligen (Teil-)Zielgruppe, ihren Interessen und ihrem Nutzungsverhalten haben.

Für die Nutzer ist dabei die „corporate identity“  eines Anbieters von geringerer Bedeutung als die konkrete Alltagsrelevanz des Angebots.

Eine differenzierte Strategie kann etwa so aussehen, dass eine „Marke“ zwar sowohl auf einer desktoporientierten klassischen Website dargestellt wird und sich außerdem durch zielgruppenspezifische Angebote mit dem Schwerpunkt mobiler Nutzung profiliert („ein Angebot von…“). Doch ist dabei ganz wichtig, dass letzteres nicht als bloßes Anhängsel eines traditionellen Angebots, sondern als vollwertiges eigenes, nutzerorientiertes Angebot entwickelt wird.

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Michael

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