Beim großen Hype, der momentan rund um Facebook herrscht, wird eines gerne vergessen: Das Unternehmen Google ist in wenigen Jahren vom Betreiber einer Internet-Suchmaschine zum einem der mächtigsten Konzerne der (nicht nur digitalen) Welt geworden. Doch nur wenige ahnen, und noch weniger wissen, was Google eigentlich tut und was Google eigentlich will.
Denn für viele ist Google nach wie vor nur eine Suchmaschine, die man vielleicht noch mit Street View und Google Maps in Verbindung bringt. Schon wesentlich weniger Menschen wissen, dass auch YouTube zum Google-Konzern gehört. Und kaum jemand macht sich bewusst, dass Google mittlerweile weltweit 25.000 Menschen beschäftigt, den teuersten Markennamen der Welt besitzt und Dutzende meist äußerst innovative Dienste im Internet anbietet. Nicht alle sind die jeweils erfolgreichsten in ihrem Bereich und viele befinden sich auch schon sehr lange im Beta-Stadium (und sind daher in den „Google Labs“ zu finden). Aber all das beweist, dass Google das mit Sicherheit am breitesten diversifizierte Internet-Unternehmen ist – und allein im letzten Quartal 2010 einen Gewinn von 2 Milliarden US-Dollar gemacht hat.
„Das Ziel von Google besteht darin, die Informationen der Welt zu organisieren und allgemein nutzbar und zugänglich zu machen“ heißt es im Unternehmensprofil. Und das muss man wirklich in einem umfassenden Sinn verstehen. Denn es geht dabei um Informationen aus Internettexten, Fotos, Kommunikation, Karten und Geodaten, Videos, Audiofiles und manchem mehr. Und diese Informationen zu „organisieren“ heißt nicht einfach, sie öffentlich und durchsuchbar zu machen. Es heißt vor allem, sie zu strukturieren und nach Mustern zu durchsuchen. Hochkomplexe Algorithmen werden eingesetzt, um Ordnung ins Chaos von Petabytes an Daten zu bringen. Das kann man ansatzweise erkennen, wenn man in der Google-Suche die Begriffe verfolgt, die Google dem Nutzer vorschlägt, noch während er seinen Suchbegriff eintippt. Wenn man sich dann vertippt, fragt Google „Meinten Sie vielleicht…?“ Und hat dabei meist recht. Das ist weit mehr als nur der Vergleich von Suchbegriffen mit Wörterbüchern, das ist angewandte Stochastik und mehr.
Google kennt mich. Im Dashboard kann ich vieles vom dem sehen, was Google über mich weiß. Google kennt meine Termine und Aufgaben, weiß, was ich im Internet gekauft habe, kennt meine E-Mail-Kommunikation und natürlich meine Kontakte, weiß, wo ich schon war und wo ich hin möchte – und aus all diesen Daten können Googles Algorithmen irgendwann einmal berechnen, was ich mit größter Wahrscheinlichkeit als nächstes tun werde.
Google kann also bald in meine Zukunft sehen. Und kann mir daher im besten Fall dabei helfen, mir das Leben zu erleichtern. Den schlechtesten Fall möchte ich mir allerdings lieber nicht vorstellen…Und wenn man sich überlegt, wie lange Menschen schon nach Wegen suchen, in die Zukunft zu schauen, kann man sich ausmalen, dass man diese Fähigkeit erfolgreich monetarisieren, zu Geld machen kann.
Ich denke dabei zum Beispiel an Augmented Reality. Rein technisch ist folgendes Szenario heute schon problemlos umsetzbar: Über eine einfache Brille, die per GPS und Bewegungssensoren meine Position und Blickrichtung kennt, bekomme ich alle relevanten Informationen über meine Umgebung automatisch angezeigt, ohne dass ich einen Computer bedienen müsste. Ich sehe, wie die Straßen heißen, durch die ich gehe, wer hinter den Fassaden neben mir wohnt, welche Anwaltspraxen und Dönerläden in der Nebenstraße liegen, wo die nächste Haltestelle ist und wann von dort die nächste Straßenbahn abfährt, ob sie Verspätung hat oder überfüllt ist. Und da dem Provider dieser Dienste auch meine nächsten Termine bekannt sind und weil er außerdem weiß, dass nach meinem nächsten Termin die Reinigung schon geschlossen haben wird, empfiehlt er mir, doch schnell den Bus zu nehmen, der in drei Minuten um die Ecke abfährt, um dort mein Hemd abzuholen – den Fahrschein löst er mir automatisch schon online. Und natürlich verdient der Provider – vermutlich Google – bei vielen dieser Schritte mit, sei es über Werbeeinblendungen, die ich ortsbezogen sehe, sei es durch Provisionen gekaufter Tickets.
Waren die Menschen vor fünfzig Jahren noch vom Fernsehen, der Tele-Vision, fasziniert, werden sie es in fünf Jahren vielleicht von solchen Online-Visionen sein, der Verbindung der Realität mit dem Wissen der Welt. Viele der Techniken, die Google heute einsetzt, kommen uns dann vielleicht vor wie Oldtimer auf einer heutigen Autobahn – doch damit fängt eben alles an. Google hat die Mittel und die Visionen, unser Leben in Zukunft ganz maßgeblich mit zu gestalten.
Dass zur Zeit so viele Menschen auf Soziale Netzwerke wie Facebook setzen ist vielleicht auch ein bisschen Ausdruck der Hoffnung, dass Google nicht zum Alleinherrscher in der digitalen Welt wird. Und die Kenntnis des „Social Graph“ fügt in der Tat auch eine wichtige Komponente zur virtuellen Rekonstruktion der Realität hinzu, nämlich das Wissen um die Beschaffenheit meiner sozialen Beziehungen. Doch möglicherweise wird es Google doch noch schaffen, Facebook hier etwas Gleichwertiges entgegen zu setzen. Über die entsprechende Technik verfügt man und das Know How des Unternehmens ist manchmal sogar zu groß für die Aufnahmefähigkeit der Nutzer, wie das Beispiel Google Wave zeigt.
Ist Google also auf dem absteigenden Ast, wie manche angesichts abwandernder Programmierer und stagnierender Börsenkurse sowie Beinahe-Flops wie Google TV bereits unken?
Ich glaube es nicht und erwarte, dass Google in zehn Jahren noch mächtiger ist als heute, während von Facebook & Twitter vielleicht schon in fünf Jahren niemand mehr spricht. Was war noch mal MySpace…?